Am 8. Mai, dem 80. Jahrestag der Befreiung Deutschlands und Europas vom NS-Terror, wurde jetzt von Schülerinnen und Schülern der Inselschule ein wichtiges Zeichen der Mahnung und Erinnerung gesetzt. Die drei Stolpersteine der Insel, die an das Schicksal der Langeooger Familie de Heer unter dem Nazi-Regime erinnern, wurden von den Schülern Tamme und Fynn knapp ein Jahr nach ihrer Verlegung poliert. Weitere Schüler:innen hatten kurze Redebeiträge zum Thema vorbereitet. Auch Schulleiterin Petra Ahrenholz, Bürgermeister Onno Brüling und Peter Wettstein vom Heimatverein Langeoog e.V. hielten Ansprachen. 

Am 8. Mai 1945 befreiten die Alliierten, eine internationale Koalition angeführt von der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich, Europa von der Nazi-Herrschaft. Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht wurde am 7. Mai in Reims unterzeichnet und trat am 8. Mai in Kraft. Damit endete der Zweite Weltkrieg, der insgesamt über 60 Millionen Todesopfer gefordert hatte. Hinzu kam eine enorme Zahl an verfolgten, vertriebenen, enteigneten, entrechteten und an Leib und Seele geschändeten Menschen. Mit unfassbarer Grausamkeit hatte das Regime um Adolf Hitler Leben in „wert“ und „unwert“ aufgeteilt und mit den Konzentrationslagern eine regelrechte Ermordungs-Industrie in Gang gesetzt, der Millionen Unschuldige (darunter Menschen jüdischen Glaubens oder -Abstammung, Geistliche, Kommunisten, Arbeitslose, Menschen mit Behinderung, homosexuelle und transidente Personen, Sinti und Roma sowie Personen im Widerstand) zum Opfer fielen. 

Um dieses Grauen anhand von Einzelpersonen etwas greifbarer zu machen, nennen die inzwischen in ganz Europa verlegten Stolpersteine Namen von Menschen mit Hinweisen auf deren Schicksal wie „vertrieben“, „gedemütigt“ oder „ermordet“. Die Stolpersteine sind eine Idee des Künstlers Gunter Demnig, der auch die Verlegung der Langeooger Stolpersteine im Juni 2024 persönlich vorgenommen hat. (Langeoog News hatte ausführlich berichtet). Mit der Verlegung wurde auch eine Vereinbarung mit der Inselschule getroffen, dass jeweils die 9. und 10. Klasse der Schule für die Pflege der Steine zuständig sein soll, während parallel der Zeitraum der totalitären NS-Diktatur (1933-1945) im Geschichtsunterricht aufgearbeitet wird. Auf die Reinigung der Stolpersteine am 80. Jahrestag des Kriegsendes hatte Geschichtslehrer Uwe Fiebig die Jugendlichen vorbereitet. 

Sie präsentierten jeweils kurze Texte, die u.a. Hintergrund und Rezeption des Stolperstein-Projekts erläuterten oder mit dem Zeitraum untrennbar verbundene Begriffe wie „Deportation“ erklärten. Während der Ansprachen behandelten die Schüler Fynn und Tamme die drei Messingquader behutsam nach der vorliegenden Anweisung des Künstlers. 

Allen Schüler:innen wurde von Schulleiterin Petra Ahrenholz, Bürgermeister Onno Brüling und Peter Wettstein (2. Vorsitzender des Heimatvereins) herzlich für ihr Engagement gedankt. 

„Mit dem heutigen Tag denken wir nicht nur an das Ende des Krieges, sondern auch an die heutige Verantwortung“, leitete Petra Ahrenholz ihre Begrüßung ein. In einer Zeit, in der weltweit antidemokratische Strömungen wieder erstarken, brauche es einen „Akt des Widerstandes gegen das Vergessen“. Die Stolpersteine seien zugleich „Erinnerung an das Unrecht der Vergangenheit und Mahnung an die Verantwortung der Gegenwart“. Für die Schulgemeinschaft sei dieser Auftrag besonders wichtig, „denn wir sind es, die Prinzipien und Werte an kommende Generationen vermitteln“. Petra Ahrenholz warnte vor einer zunehmenden Verrohung und Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft. Umso wichtiger sei es, „aktiv gegen Intoleranz, Ausgrenzung und Hass“ zu arbeiten. „Die Erinnerung muss uns antreiben und Motivation für den Einsatz für eine bessere Gesellschaft, für eine gerechtere Zukunft sein“, so die Schulleiterin. 

Auch Bürgermeister Onno Brüling sprach mahnende Worte zum aktuellen Erstarken rechtsextremer Kräfte in Deutschland und der Welt. Der „schon viel zu lange“ in Europa tobende Krieg, militärische Drohgebärden, weltweite Aufrüstung und Regierende, die offen darüber sprechen, fremde Gebiete annektieren zu wollen, müssten deutlich vor Augen führen, dass Frieden nicht nur ein hohes, sondern auch sehr fragiles Gut sei. Auch die Einstufungen des Bundesamts für Verfassungsschutz in Deutschland müsse man „sehr ernst nehmen“.

„Diese Entwicklungen bereiten mir Sorge“, sagte der Bürgermeister — selbst Vater dreier Kinder. „Sorge, dass unsere Kinder nicht in der friedvollen Welt aufwachsen, die sie brauchen und die sie verdient haben.“ 

Familie de Heer, an die mit den Stolpersteinen erinnert werde, stehe „exemplarisch für viele Familien, die in dieser Zeit gelitten haben, auch auf dieser schönen Insel“, erläuterte Onno Brüling; ihre Geschichte sei „eine von vielen, die in diesem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte geschrieben wurden“. Die mahnenden Steine seien für ihn aber „nicht nur Zeichen der Trauer, sondern auch der Hoffnung und Versöhnung“. Der Bürgermeister rief dazu auf, „innezuhalten und darüber nachzudenken, welche Werte und Prinzipien wir als Gesellschaft verteidigen und weitergeben möchten — und müssen“. 

Im Anschluss ergriff Peter Wettstein im Namen des Langeooger Heimatvereins das Wort. Der 1. Vorsitzende, Erhard Nötzel, war leider terminlich verhindert. Der Heimatverein war bei der Umsetzung des Stolperstein-Projekts federführend. Peter Wettstein erläuterte den Anwesenden den Weg von der Idee zur Realisation und die damit verbundenen Herausforderungen. Etwa die, dass es lange kaum Material zur NS-Zeit auf Langeoog gab, bis sich der Historiker Prof. Dr. Jörg Echternkamp aus Potsdam intensiv der Materie annahm; ebenfalls in engem Austausch mit dem Heimatverein. 

Zur Geschichte der Familie de Heer lieferten Norda Westerkamp und Christoph Lowes wichtigen Input. Peter Wettstein zeigte sich für das Engagement aller Beteiligten sehr dankbar und ging auch nochmal auf die Lebensgeschichte der de Heers ein. Außer an deren Schicksal erinnerte er auch an die zahlreichen anderen Kriegsopfer auf Langeoog: Von den zu Tode geschundenen oder verhungerten Zwangsarbeitern bis zu den im Kriegseinsatz gefallenen oder bei Bombenangriffen getöteten Langeoogern. 

Zum Abschluss lobte Peter Wettstein nochmals den Einsatz der Schülerinnen und Schüler an diesem historisch bedeutsamen Datum, wofür diese großen Applaus erhielten. 

Ausführliche Artikel zur Stolperstein-Verlegung, zu Familie de Heer und zur Arbeit des Historikers Jörg Echternkamp finden sich auch im aktuellen Langeoog News-Magazin.

(Text und Fotos: Mayk Opiolla, Langeoog News)

Würdevolles Gedenken am Befreiungstag

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